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Erfolgreiche schulische Maßnahmen für Kinder mit Verhaltensweisen aus dem AD(H)S-Bereich

(zusammengestellt von Gabriele Moser-Stadlbauer, Dorothea Steinlechner, Claudia Leithner)

1) Einleitung

Manche Kinder sind lebhafter als andere, und jedes Kind ist irgendwann einmal sehr unruhig oder kann sich nicht konzentrieren und lässt sich leicht ablenken. Jeder weiß, dass es jüngeren Kindern schwerer fällt als älteren, sich ruhig zu verhalten oder ausdauernder bei einer Sache zu bleiben.

Manche Kinder unterscheiden sich jedoch von anderen in Ausmaß und Stärke der Probleme: Ihr Bewegungsdrang ist übermäßig und schwer kontrollierbar, sie können sich immer schlecht konzentrieren und sind besonders leicht ablenkbar oder verträumt. Solche Verhaltensweisen können die ganze Familie belasten. Mit dem Eintritt in die Schule verstärken sich die Symptome häufig. „Traumsuse“ und „Zappelphilipp“ sind eine große Herausforderung für Pädagogen und Pädagoginnen. Für den schulischen Umgang mit ihnen macht es dabei keinen Unterschied, ob es sich um eine entwicklungsbedingte, vorübergehende Unaufmerksamkeit oder um eine situationsübergreifende, ausgeprägte Konzentrationsschwäche oder Hyperaktivität im Sinne eines diagnostizierten AD(H)S handelt.

In vorliegendem Info-Blatt sind jene Umgangsweisen zusammengefasst und aufgelistet, die von Lehrkräften vielfach erprobt wurden und die sich bewährt haben. Sie sind gedacht als Orientierungspunkte in der bewegten Welt des AD(H)S (in einer unruhigen Landschaft), als „Haltegriffe“ in einem schulischen Alltag, der herausfordernd, anstrengend, aber auch lebendig und kreativ sein kann.

2) Von welchen Kindern reden wir?

Im Alltag stellen sich die Verhaltensweisen der Kinder wie folgt dar:

Beeinträchtigte Aufmerksamkeit

  • Träumen („Hans Guck in die Luft“)

  • Leichte Ablenkbarkeit (abgelenkt von Bildern an der Wand, vom Rascheln des Papiers eines anderen Kindes o. ä.)

  • Hastig überhüpfender Wahrnehmungsstil (bekommt einerseits schnell etwas mit, aber übersieht wieder Wichtiges, kontrolliert nicht genügend, z. B. abgeschriebene Wörter)

  • Schwierigkeit zuzuhören

  • Vergesslichkeit, Zerstreutheit (vergisst Hefte, Turnzeug, Aufgaben, überhört (schulische) Anweisungen)

  • Stimmungsschwankungen

  • Geringe Frustrationstoleranz (schnell enttäuscht, wenn etwas nicht klappt, verliert dann die Lust)

  • Reizoffenheit (springt auf alles Neue an, aber bei Routineangelegenheiten kein Durchhaltevermögen)

  • Rasche Ermüdbarkeit

Impulsivität

  • „Plappermäulchen“ (sagt, was es denkt, ohne jedoch die Situation zu berücksichtigen; redet zu viel; beachtet soziale Signale nicht; „Sprechdurchfall“)

  • „Kaum gedacht, schon getan“ (unterbricht andere, platzt ins Gespräch, Spiel oder Handlung hinein)

  • Gefährdung durch Unachtsamkeit (steigt aus dem Auto und rennt über die Straße; wenig Gefahrenbewusstsein)

  • Ungeduld (drängelt sich vor, kann nicht abwarten)

  • Heftige, plötzliche Gefühlsausbrüche (Jähzorn, Wutanfälle, Stimmungsschwankungen)

Motorische Überaktivität

  • Hampeln, Rutschen, Sich-verdrehen, Kippeln auf dem Sitz

  • Herumfingern an Kleidung, Haaren, Gegenständen

  • Plötzlich einschießende Bewegungen (z. B. Kind schreibt, plötzlich greift es nach dem Radiergummi)

  • Reden mit Händen und Füßen

  • „Hummeln im Hintern“, Aufstehen und Herumlaufen

  • Häufiger Wechsel des Zielobjekts und der Tätigkeiten

Viele dieser Kinder haben auch besonders positive und liebenswerte Eigenschaften und Begabungen. Sie sind:

  • charmant, fröhlich, witzig, schlagfertig, hilfsbereit

  • lustig, kreativ, fürsorglich, aufgeweckt, phantasievoll

  • flexibel, tierlieb, sensibel, interessiert, gutmütig

  • nicht nachtragend, begeisterungsfähig, belastbar

Oft sind sie sensibel für Rhythmen, Töne und Geräusche und können sich für Musik begeistern. Wenn sie an einer Aktivität interessiert sind, sind sie immer wieder fähig, Unglaubliches zu schaffen.

3) Was tun?

Geduld, Geduld, Geduld und Zuversicht...
...und einige Anregungen:

Die entscheidende Hilfe, die LehrerInnen diesen Kindern im Schulalltag bieten können, heißt Strukturierung. Den Kindern müssen sehr klare Orientierungsmöglichkeiten geboten werden.

Gestaltung der Unterrichtssituation

  • Wenige, zentrale Regeln, die konsequent eingehalten werden und nicht diskutiert werden

  • Eindeutige, knappe Anweisungen, ohne Vorwürfe, in direkter Ansprache

  • Vorausschauendes Planen bei neuen Aktivitäten

  • Einführung von Ritualen (z. B. kurze Entspannungsübungen nach der Pause)

  • Unterstützung der Aufmerksamkeitsfokussierung (Blickkontakt, Tippen, Hervorhebungen)

  • Unterstützung der Arbeitsorganisation (Teilziele, Checklisten, klare Arbeitsaufträge)

  • Vereinfachung bei Leistungsüberprüfungen (z. B. Teillösungen notieren dürfen)

Gestaltung von Arbeitsmaterial und Raum

  • Sichtbare Aufgaben, Farbsymbole für Arbeitsphasen

  • Ansprechende, sinnlich vielfältige Materialien

  • Keine ablenkenden Gegenstände im Raum

  • Sitzplatzwahl: Nähe zur Lehrkraft, Fenster und Türen meiden, wenig Wechsel

4) ADS – „Auf Der Suche“

„Strukturierung und liebevolle Konsequenz“ ist das Motto – eine Haltung, die nicht immer leicht umzusetzen ist, zumal Kinder mit AD(H)S auch heftige Gefühle auslösen können.

Ein Blick in die innere Welt der Kinder mag hilfreich sein, um die emotionale Seite des AD(H)S als ein Auf-der-Suche-Sein zu verstehen.

Was suchen diese Kinder?

Suche nach Aufmerksamkeit und Verständnis
Hinter dem lärmenden Verhalten des Kindes verbergen sich meist Unsicherheit, Minderwertigkeit und Ängstlichkeit. AD(H)S bedeutet auch einen unausgesprochenen Wunsch, in den sensiblen, selbstunsicheren Seiten gesehen zu werden. Die zentrale Botschaft könnte lauten:

„Es ist dein Verhalten, das ich nicht akzeptiere. Ich sehe dich aber auch in deinem Wunsch, zu entsprechen und ein Leben in Gemeinschaft führen zu können. Ich sehe, wie verzweifelt du bist, wenn dir das nicht gelingt – und du dich deshalb isoliert, ohnmächtig und unwichtig fühlst. Als Erwachsener, der Verantwortung übernommen hat, möchte ich für dich da sein.“

Suche nach Sicherheit, Struktur und Halt
Kinder mit AD(H)S leben in einer Welt permanenter Überreizung. Sie brauchen Hilfe, diese Eindrücke zu strukturieren. Auch wenn sie Hilfe scheinbar ablehnen, suchen sie im Inneren nach Halt und Orientierung.

WENN ICH KÖNNTE WIE ICH WOLLTE,
WÜRDE ICH MICH VERHALTEN WIE ICH SOLLTE.
(Goethe)

 

5) Literatur

  • Born, Armin & Oehler, Claudia: Lernen mit ADS-Kindern. Kohlhammer, 2005.

  • Lauth, Gerhard W. & Naumann, Kerstin: ADHS in der Schule. Beltz, 2009.

  • Neraal, Terje & Wildermuth, Matthias (Hg.): ADHS – Symptome verstehen, Beziehungen verändern. Psychosozial-Verlag, 2008.

  • Strasser, Renate: Handout – ADHS in Kindergarten und Schule.

Webtipps:

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