Was verloren geht
Zur Schließung von Mutterberatungsstellen in Salzburg
Dorothea Steinlechner-Oberläuter
(Leserbrief Salzburger Nachrichten, 1. 7. 2010)
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Wenn ein Baby auf die Welt kommt, muss man nicht einer sogenannten „Multiproblemfamilie“ angehören, um sich als junge Mutter oder als junger Vater ratlos, erschöpft, isoliert oder durch die Verantwortung für einen Säugling oder ein Kleinkind schlichtweg überfordert zu fühlen.
Damit sich diese ganz normalen Belastungen nicht zu einer Krise auswachsen, die negative Folgen für die körperliche und psychische Gesundheit von Eltern und Kind hat, braucht es ein niederschwelliges, wohnortnahes Präventionsangebot, wo Eltern durch ärztlichen Rat, aber auch psychologischen Beistand, konkrete psychosoziale Unterstützung und durch die Förderung eines entlastenden Netzwerks in der Entwicklung ihrer elterlichen Kompetenz unterstützt werden.
Genau dieses Konzept wird in den Elternberatungsstellen (früher: Mutterberatungsstellen) des Landes seit langem durch ein engagiertes und kompetentes Team von Sozialarbeiterinnen, Kindergartenpädagoginnen, Psychologinnen und Ärztinnen in bewährter Weise umgesetzt.
Aufgrund von Sparmaßnahmen wird es nun – die SN berichteten – zu Schließungen von Mutterberatungsstandorten und einer weiteren Reduktion des Angebots an Mutter-Kind-Gruppen kommen.
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Was verloren geht, ist:
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ein bestens etablierter und für die KlientInnen kostenfreier Zugang zu psychosozialer Unterstützung in einer sensiblen Lebensphase;
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ein professionell begleiteter Begegnungsraum, wo – sich langfristig selbst tragende – Unterstützungssysteme aufgebaut werden können;
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beziehungsorientierte psychologische Arbeit mit dem Ziel, positive Weichenstellungen für die Zukunft belasteter Familien zu entwickeln;
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All das bedeutet: Gewaltprävention, Gesundheitsförderung, Elternschulung, „Soziales Lernen“, Suchtvorbeugung, und die Chance, spätere „Problemfälle“ für Schule und Gesellschaft sich erst gar nicht entwickeln zu lassen.
Abgesehen von den humanen Aspekten liegt auch der wirtschaftliche Nutzen von früher Unterstützung klar auf der Hand: Was an Weichenstellungen in den ersten Lebensjahren versäumt wird, kann später nur durch noch teurere, aufwendigere und vermutlich weniger nachhaltige Projekte wieder aufgefangen werden.
Es ist mir daher völlig unverständlich, warum man eine etablierte und von der Zielgruppe bestens angenommene Institution nicht weiter ihre Arbeit machen lässt.
Ist ein Umdenken noch möglich?
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Dr. Dorothea Steinlechner-Oberläuter
Schulpsychologin, Psychotherapeutin, Mutter
